Ein heftiger Literaturstreit beherrschte über Monate das deutsche Feuilleton. Es ging um „Stella“ und um den Autor Takis Würger, geboren 1985, der als Redakteur für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ arbeitet. (2017 erschien sein erstes Buch „Der Club“, für den Takis Würger den Debütpreis der lit.Cologne bekam.)
In seinem jüngsten Roman wird die Geschichte der Berliner Jüdin Stella Goldschlag erzählt, die 1942 von der Gestapo enttarnt wird. Um ihre Eltern vor dem Konzentrationslager zu retten (was jedoch misslingt) und selbst zu überleben, arbeitet sie als sogenannte „Greiferin“ für die Nazis: Sie verrät hunderte andere, untergetauchte Juden. Stella Goldschlag gab es wirklich: Sie überlebte und wurde nach dem Krieg zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1994 beging sie Selbstmord …
Sowohl in allen großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen als auch in den Kulturredaktionen der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten wird seit der Veröffentlichung des Romans heftig debattiert: „Darf man den Nationalsozialismus als bloße Kulisse für eine Liebesgeschichte nutzen, um einem Buch so Brisanz und vermeintliche historische Tiefe zu geben?“ fragt beispielsweise mdr-KULTUR-Literaturexperte Jörg Schieke. Fabian Wolffs Fazit in der FAZ lautet so: „Takis Würger hat gar nichts zu erzählen. Er spielt nur am Automaten der Groschenromansätze und raunenden Sinnsprüche.'“ Stefan Kister hingegen moniert in den „Stuttgarter Nachrichten“, dass dem Roman viel zu viel Aufmerksamkeit beigemessen wird: „Es ist nicht nur unangemessen, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Man verfehlt dabei in der Regel sein Ziel. Dieses rigoristisch geführte Strafgericht, das über den verdatterten Autor hereingebrochen ist, liefert seinem Roman die beste Schützenhilfe auf dem Weg zu Bestsellerehren. Das eine ist so übertrieben wie das andere.“
Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt Schriftsteller Daniel Kehlmann: „Man beginnt dieses Buch mit Skepsis, man liest es mit Spannung und Erschrecken, man beendet es mit Bewunderung.“ Und auch Jo Lendle, Leiter des Hanser-Verlages, in dem „Stella“ erschienen ist, verteidigt seinen Autor: „Es ist klar, dass dieses Buch nicht vor 40 Jahren hätte veröffentlicht werden können. Aber ich glaube, dass jede Generation von Autoren – und Takis Würger ist ein jüngerer Autor – auch ein Verhältnis finden muss, Geschichten zu erzählen, die Erinnerungen wach halten, die Einblicke in diese Zeit geben. Stella Goldschlag ist eine Figur, an der sich ganz viel entzündet von dem, was sich Nachgeborene fragen: Wie entsteht Schuld? Wie ist mit Schuld umzugehen? Wie hätte ich mich selber verhalten? Das sind die zentralen Fragen, die in dem Buch verhandelt werden.“
„Stella“ finden Sie in unserem Neuheiten-Regal im Eingangsbereich …